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Ich bin ein Fan rauchiger Whiskys, bei Whisky aus dem Sherryfass bin ich eher so etwas wie der schüchterne, verliebte Teenager, der nicht weiß, wie er seine Liebe gestehen möchte. An Rauch bin ich selbstbewusst und kaltschnäuzig Herangegangen und habe mir direkt einen Laphroaig geschnappt, an Sherry habe ich mich vorsichtig rangetastet und meine Grenzen ausgelotet, gerade wie bei einem Date.

Der 105er von Glenfarclas ist ein Whisky mit Fassstärke, der 10 Jahre in ehemaligen Sherryfässern lagerte und eine tiefdunkelrote Farbe erhielt, sicherlich nicht der Whisky, der am Anfang eines Dates mit Sherry steht. Er ist aber der Whisky, der dem ersten näheren Kennenlernen gleichkommt, mehr als Händchenhalten.

Der erste Schritt und das Kennenlernen – Woher kommt der Whisky und was ist drin?

Schaut man auf das Etikett des Glenfarclas 105, sticht zuerst die Zahl hervor. Weiß auf schwarzem Grund prangt sie dort und verspricht süße Genüsse. Was soll die 105 bedeuten? Sie ist ein Hinweis auf die sündige Stärke des Whiskys. Mit 105 britischen Proof hat der Glenfarclas 60 Volumenprozente Alkoholgehalt. Das ist eine ganze Menge und nicht zu verachten. Dass es sich um Fassstärke handelt wird durch das „Cask Strength“ hervorgehoben.

Das nächste Statement des Etiketts ist eine Herkunftsbezeichnung: „Highland Single Malt Scotch Whisky“. Hm…. Highland? Ich dachte immer an die Speyside bei Sherrywhisky, also mal die Suche angeschmissen und rausfinden, dass Glenfarclas im Ort Ballindalloch im Herzen der Speyside zu finden ist. Glenfarclas nutzt also den Oberbegriff „Highlands“, die Speyside gehört im Prinzip zu diesen. Okay, wir wissen was die Angebetete anhat und woher sie kommt, wie alt ist sie nur?

Die Familie Grant ist seit fast 200 Jahren, nämlich seit 1815 in Besitz der Destillerie, die Familie ist also alt. Das Etikett weist Glenfarclas 105 als 10 Jahre alt aus, für einen Whisky ist das sicher volljährig, wenn auch nicht alt. Wir können also davon ausgehen, dass es sich um einen ernstzunehmenden Single Malt handelt und nichts, was vor seiner Zeit das Fass verlassen musste.

Wir kommen uns näher – Du riechst so gut – Das Nosing

Okay, ich glaub der zweite Teil der Überschrift ist von Rammstein, aber er passt sehr gut. Wenn der gute Tropfen ins Glas perlt und man seine Nase näher heranführt, ist der erste Eindruck; nunja, eigentlich gar nicht so stark. Hm, wie kommt das? Arbeitet man ein wenig mit Wasser, wird es klar, der Alkohol will seine Aromen nicht so ohne weiteres freigeben. Bei 60% Alkohol kann man auch von einer ordentlichen Verdünnungsreserve ausgehen. Also flugs zwei drei Teelöffel Wasser auf den Dram und nochmal gerochen, herrlich. Als allererstes knallt der fruchtig-trockene Sherry und Würze.


Der erste Eindruck ist groß, viel größer als beim „normalen“ 10-jährigen Glenfarclas, der mit 40 % abgefüllt wird. Wir warten noch einige Minuten und führen uns das Glas immer mal wieder an unsere Nasen. Er entfaltet sich, wird von dunkler zu hellerer Frucht. Herrlich.

Die Kraft des Whiskys ist nicht zu unterschätzen, wir haben es mit einem starken und erstaunlich reifen Whisky zu tun. Es finden sich leichte Noten von Leder, nur ganz zart, und eine an leichten Rauch erinnernden Ton im Hintergrund, hinter dem starken Sherry und der Frucht.

Jetzt wird’s ernst – Der erste Kuss – Das Tasting

So, der Whisky ist so knapp unter 50 % verdünnt worden und hatte Zeit sich zu setzen und mir seine Aromenfracht in die Nase zu blasen. Jetzt kommen wir uns noch näher und ich setze das Glas an. Der erste Eindruck ist kräftig, stark und leicht überwältigend. Die alkoholische Stärke ist ganz klar da, ohne dass es fuselig wirkt oder gar alkoholisch schmecken würde. Dann läuft mir das Wasser im Mund zusammen, Trockenheit vom Sherry kommt durch, es gibt wahrnehmbare, aber nicht starke Bitterkeit, vielleicht Halbbitterschokolade und Frucht, dunkle Beeren, etwas Kirsche und Honig. Wirklich toll, die Würze vom Anfang bleibt die gesamte Zeit über, der Whisky füllt den Mund durchgehend aus, ich kann kaum sagen, wo die Flüssigkeit gerade ist und dann schlucke ich und merke, wie warm mein Hals wird. Und bleibt. Und bleibt. Und noch immer bleibt. Am Gaumen bleibt leichte Bitterkeit zurück, auf der Zunge ein leicht trockenes Gefühl und der Rachen ist warm, sehr angenehm warm.

Glenfarclas 105 – eine Liebe fürs Leben?

Wirklich, ganz großes Kino der Glenfarclas 105. Jedes einzelne der 105 Proof zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht und nun bin ich glücklich mit meiner Eroberung.

Fehlt etwas? Nein. Bei etwas über 30€ pro Liter (Stand Juni 2013) kann ich nichts entdecken, was mir fehlen würde. Es gibt den Glenfarclas 105 auch noch in einer 20 Jahrealten Version, hier kann ich die wirklich dunklen Sherrytöne erwarten, eine stärkere Bitterkeit und sicherlich so etwas wie eine ledrige, angenehme Note nach Herrensessel, aber hier greift der geneigte Genießer auch tiefer in die Tasche, denn einen 60 %igen Whisky in dem Alter hinzubekommen ist dank des geliebten „Angel Share“ nicht so einfach.

Insgesamt liebe ich diesen Whisky und bin froh, dass ich noch ein bisschen in meiner Bar habe. Weiter so, Glenfarclas.